Heino Ferch als Volker Bretz 1998-99
“.. ...wir haben alle Mist gebaut..“ In: Straight Shooter. Teil 5. Heino Ferch als Volker Bretz, Buch und Regie: Thomas Bohn 1998-99. Produktion Joseph Vilsmaier, Perathon.
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Die Szene
Wir treten mit Bretz in das Wohnzimmer. Paufler hebt gerade einen Gegenstand vom Boden auf. Er sieht den Eindringling und richtet sich auf.
Gegenschuss auf Bretz, wir stehen hinter Paufler. So können wir in aller Deutlichkeit die langsame bewusste und unnachgiebige Bewegung sehen, mit der Shooter die Les Baer Monolithe aus der Verwahr- in die Anschlagposition am gestreckten Arm bringt. Shooter läßt Paufler direkt in die Mündung der Waffe blicken.
Wir haben auch alle Zeit der Welt, den Ehering und den Schmetterlingsanhänger an Shooters Hand zu sehen, der Hand, die jetzt den töten wird, der am Tod der beiden Menschen Mitschuld hat, an die die beiden Schmuckstücke erinnern.
Wir können Shooter direkt in´s Gesicht sehen.
Das Gesicht ist bewegungslos, ruhig, ohne Verzerrung durch Wut, Aggression oder Hass. Der Blick ist nicht einmal kalt, auch nicht triumphierend.
Er ist von einer bleiernen Entschlossenheit, die keinen noch so schmalen Spalt einer Schwäche, einer Unsicherheit zeigt, in der Paufler das Messer seiner Überredungskunst einspannen und ein Aufhebeln der Psyche des zum Mord entschlossenen versuchen könnte.
Paufler, er steht nur zwei Schritte von Shooter entfernt, hat die Arme hoch erhoben.
Er ist Politiker. Überzeugen durch Reden ist sein Job. Reden ist jetzt auch seine einzige, letzte Chance.
Er sagt:
Hören Sie, ich weiss, wie Sie sich fühlen müssen...
Pause. Vogelgezwitscher von draussen.
... ich kann Ihnen helfen...
Pause.
Er wartet auf eine Reaktion. Shooter bewegt nichts, nicht die Waffe, nicht sich selbst, seine Miene bleibt völlig unverändert.
...wir haben alle Mist gebaut...
Insert auf die Waffe.
Shooters Zeigefinger am Abzug krümmt sich langsam, wir hören ein leises Vorclicken..
..das Ministerium, .....die Wirtschaft....
...ich..
Der Zeigefinger am Abzug bleibt in Position..
..und dadurch auch Sie...
Jetzt sehen wir bei Bretz einen Lidschlag. Wir glauben, Paufler hat ein paar Millimeter gewonnen.
Paufler wartet mit offenem Mund.
Dann:
....man hat Ihnen sehr weh getan, Herr Bretz, aber....
Paufler deutet ein Kopfschütteln an...
..das .... können Sie nicht ungeschehen machen, indem Sie anderen genauso wehtun.
Paufler lässt das Kopfschütteln nachklingen, es sieht jetzt aus, wie ein Flehen.
..mein Gott, Herr Bretz, ich kann Sie doch verstehen.
Insert auf die Waffe.
Shooter lässt die Spannung seines Zeigefingers nach, wir hören, wie die Feder sich streckt.
..ich versteh Sie sehr gut.
Jetzt geben wir Paufler eine über 50% Chance.
..aber auch viele Ihrer Opfer hatten.....Kinder.
Eine einzige und erste seelische Bewegung in Shooters Miene.
Er zieht die Augen zusammen. Kein gutes Zeichen.
Wieder Nahaufnahme der Waffe. Der Zeigefinger krümmt sich schnell.
Schnitt.
Totale durch das garagentorgroße Wohnzimmerfenster auf die Szene im Raum.
Wir hören den pfeifend dumpfen Knall, den der Schalldämpfer beim Abdruck erzeugt,
sehen, wie Paufler von der Wucht des Projektils rückwärts gegen die Bücherwand geschleudert wird und zusammensackt.
Während er fällt, verfolgt Shooter sein Ziel ruhig wie ein Sportschütze und gibt regelmäßige gezielt verfolgende Schüsse auf sein Opfer ab, als stünde er in einem Trainingsschießstand.
Schnitt. Innen.
Wir stehen vor Bretz. Er nimmt nach dem letzten Schuß ruhig die Waffe aus dem Anschlag nach unten.
Halbtotale.
Sein Gesicht zeigt jetzt eine Veränderung, die wir fast übersehen hätten.
Aber: Sein Gesicht wirkt entladen –
alt,
leer, ausgelöscht, einsam.
Wie Asche.
Das leise Glühen seines Hasses ist verschwunden.
Schnitt.
Von aussen ins Zimmer. Shooter dreht sich langsam weg und geht. Er entkommt per Fahrrad.
Ende der Szene.
1998-99 Heino Ferch – Volker Bretz, der Straight Shooter; Dennis Hopper - Frank Hector, Shooter´s Ausbilder; Ulrich Mühe- Staatssekretär Markus Paufler.
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Kommentar 1:
Die Figur des Straight Shooter zeigt einen Mann, der rücksichtslos Selbstjustiz übt.
Sie zeigt auch einen Mann, der durch das Übermaß an Traumatisierung durch Krieg und privates Schicksal psychopathisch wird.
Der Regisseur Thomas Bohn erklärt im Audio-Kommentar, dass ein Finanzier des Filmes die Bedingung stellte, dass die Figur am Ende des Filmes nicht als psychisch normal dargestellt werden darf und die Filmhandlung auch die Unschädlichmachung des Schädlings zeigen muss.
Also schießt Frank Hector am Ende auf Straight Shooter.
Wir sehen den allerletzten Moment vor dem Schuß und ergänzen, dass Hector Shooter trifft.
Dr. Frankenstein (Hector) löscht das Ungeheuer, das er mit eigenen Händen (als Ausbilder von Bretz) erschaffen hat, mit eigener Hand auch wieder aus.
Kommentar 2:
Kurz nach diesem Mord werden wir Zeugen, wie Volker Bretz die psychische Borderline überschreitet.
Er fordert sich bis an die Grenze mit Klimmzügen in der stillgelegten Fabrik, in der er sein Lager aufgeschlagen hat. Als er am Ende seiner Kräfte loslassen muss, stürzt er auf einen scharfen Gegenstand. Der schneidet seinen Oberarm auf. Bretz blutet heftig aus einer großen Schnittwunde.
Der Anblick seines eigenen Blutes ist der Auslöser, der Bretz aus dem Grenzbereich der psychischen Normalität in den Wahnsinn kippen läßt.
Äußerlich zeigt sich dies durch zunehmend zwanghaft überkontrollierte roboterhafte Bewegungen, gepaart mit einem Austicken, einem Tic. Der seelische Bogen ist überspannt. Bretz kann die Mittel, die er benutzt, nicht mehr einordnen. Die Folge: er richtet ein Blutbad unter Frauen an.
Kommentar 3:
Zwei Figuren in zwei Filmen ,Straight Shooter 1998 und Athos in „Die Drei Musketiere“ 2004, stehen thematisch zueinander in Verbindung.
Beiden Männern wird gewaltsam ihr Erstgeborenes entrissen. Beide Männer machen Schuldige, Verantwortliche dieses Verlustes aus und beide Männer reagieren mit Selbstjustiz.
Shooter stirbt am Ende an seiner Selbstjustiz. Gewalt erzeugte Gegengewalt.
Athos, ein Mann, der zehn Jahre reifer ist als Shooter, blickt auf diese seine Selbstjustiz zurück und macht dazu zwei Aussagen.
1. „ich war dieses Ungeheuer“ – Athos bewertet sein Verhalten von damals, die Lynchjustiz, als ungeheuerlich.
Und
2. Diese (verantwortliche Person) muss gerichtet werden – nicht ermordet.
Athos, der Ältere, lehnt Selbstjustiz jetzt ab. Gerechtigkeit nicht mehr durch Rache, wie Straight Shooter und er selbst vor Jahren, sondern durch Verurteilung durch eine richterliche Instanz.
Setzt man beide Figuren in Beziehung, so ergibt sich, das dass die zweite Figur uns das Thema des gewaltsamen Kindsverlustes und der darauf folgenden Reaktion noch einmal in Rückblende vor Augen stellt und dann eine andere Lösung vorstellt.
Eine Lösung, die das Pendel von Gewalt und Gegengewalt durch Richterspruch, durch eine objektive Instanz, stoppt.
Shooter und Athos der Jüngere gingen aus der Selbstjustiz als Verlierer hervor.
Athos der Ältere gewinnt durch eine gerechte Lösung seine Zukunft.
Methoden: Audio.mp3 (Victor March/McGulloch -Pierre Besson - zu Katharina von Strahlberg - Iris Berben - in "Afrika - Mon Amour")
Zur Rechtslage des Filmzitats : Hinzuziehung von kurzen Filmtracks sind in einem eigenen Werk ,welches das "Original überstrahlt" zur Unterstreichung einer eigenen Argumentationslinie erlaubt.
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